Leben mit Kind

Kannkind oder Korridorkind: Einschulen oder nicht? Wir haben eingeschult!

Letztes Jahr um diese Zeit gab es einen Beitrag zum Thema Kannkind / Korridorkind. Denn wir haben so eins zu Hause und mussten entscheiden, was wir machen: einschulen oder nicht? Und diese Frage war gar nicht so leicht zu beantworten, ich habe mich sehr schwer damit getan. Im Beitrag hatte ich einiges dazu geschrieben und jetzt hat einige von euch interessiert: Wie haben wir uns eigentlich entschieden, warum, und wie läuft es. War es die richtige Entscheidung? Mit diesem neuen Beitrag probiere ich dem mal auf den Grund zu gehen und die Frage “einschulen oder nicht?” aus unserer Sicht zu beantworten.

Kannkind oder Korridorkind, was ist das eigentlich?

Jeder, der damit nicht direkt was anfangen kann, hat wahrscheinlich kein Kind, das zwischen Juni und Oktober geboren ist. Die Zeiträume, die relevant sind, sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, beschreiben aber Kinder, die in diesen Monaten geboren sind und somit auch in dieser Zeit 6 werden. Es ist eine Einschulung ab dem 6. Lebensjahr vorgesehen, also durchaus möglich. Rebekka wurde beispielsweise im August geboren und mit dem Schulbeginn im September hier in Bayern ist sie also gerade 6, wenn es losgeht. Da sie damit noch sehr klein ist, wird die Entscheidung den Eltern (und anderen Institutionen, die beratend zur Seite stehen) überlassen, ob das Kind wirklich in die Schule kommen, oder lieber noch ein Jahr warten soll. Man steht damit vor der Wahl: in die Schule, lieber sehr klein oder sehr groß?

Ob das Ganze dann Kannkind oder Korridorkind heißt, oder vielleicht sogar ganz anders, hängt einfach wieder davon ab, wo man lebt. Das ist aber das Gleiche.

Haben wir die richtige Entscheidung getroffen?

Wir haben Rebekka letzten September einschulen lassen. Dem voran ging eine wirklich lange Phase der Überlegung: was ist die richtige Entscheidung? Denn es gibt einige Faktoren mit einzubeziehen: ist das Kind kognitiv so weit? Und sozial? Wie wäre es, wenn es weiter im Kindergarten bleiben würde? Möchte das Kind in die Schule? Was ist mit dem sozialen Umfeld, wo sind die besten Freunde? Auch wenn das natürlich die Entscheidung nur am Rande beeinflussen sollte, sollte es mit einbezogen werden. Denn es nützt alles nichts, das Kind im Kindergarten zu lassen, wenn alle Freunde weg sind und das Kind am Ende tot unglücklich ist, weil es auch am liebsten in die Schule wollte, die Eltern aber gezögert haben, weil es sich noch nicht optimal durchsetzen kann.

Ich persönlich fand de Entscheidung sehr sehr schwierig und ich möchte nichts verheimlichen: sie beschäftigt mich bis heute, obwohl ich sie schon vor längerer Zeit getroffen habe!

Ich könnte mich jetzt natürlich ganz einfach herauswinden: die richtige Entscheidung gibt es nicht. Damit ist aber natürlich niemanden geholfen. Deswegen gehe ich jetzt einfach der Reihe nach vor, worauf ich geachtet habe, habe ich ja oben schon geschrieben.

Mädchen macht Hausaufgaben an einem Tisch

Wie habe ich mich entschieden? Welche Punkte habe ich beachtet?

Man kann meinen, dass ich mich mit jedem einzelnen Aspekt der Frage, ob Rebeka in die Schule gehen soll, beschäftigt habe. Das Ganze ist natürlich im ständigen Dialog mit unserem Papa geschehen. Erst, als ich in etwa eine eigene Meinung hatte, auch wenn diese noch nicht fest war, habe ich angefangen die Meinung anderer einzuholen. Immerhin wollte ich nicht beeinflusst werden, sondern mir ein umfassendes Bild machen. Von vornerein war mein Gefühl, dass Rebekka grundsätzlich bereit ist für die Schule, die Frage aber ist, was passiert, wenn man ihr mehr Zeit im Kindergarten gibt.

Ich habe die Meinung des Kindergartens herangezogen, grundsätzlich auch bei der Kinderärztin nachgefragt. Auch wenn ich meine, dass sie sehr gute Arbeit leistet du immer ein offenes Ohr hat, kennt sie mein Kind nicht und kann nur auf allgemeine Fakten eingehen. Das ziehe ich heran, aber wichtiger war mir bspw. das Bild des Kindergartens.

ist das Kind kognitiv so weit?

Der Kindergarten hat in unserem Fall zum Beispiel sehr interessant reagiert, nämlich mit völligem Unverständnis. Wie können wir nur das Kind einschulen lassen wollen. Rebekka ist klein und wirkt auch so, ohne das jetzt werten zu wollen. Sie ist ein zierliches Persönchen und drängt sich nicht mit irgendwelchen auffälligen Verhaltensweisen in den Vordergrund. Das heißt nicht, dass sie kein Quatscht macht, ganz im Gegenteil, aber im Grunde wirkt sie eher unauffällig. In Augen des Kindergartens überhaupt nicht bereit, so in die Schule gelassen zu werden. Ich wurde unzählige Male gebeten mir das ganz genau zu überlegen (um es mal nett auszudrücken). Als ob ich das nicht machen würde…

Hinzu kommt aber natürlich, dass die ganze Zeit der Vorschule Coronazeit war. Das heißt es war nur sehr eingeschränkter Kontakt da, das Personal überlastet, Möglichkeiten wirklich begrenzt.

Nachdem nun klar war, dass wir einschulen wollen, wenn nichts wirklich dagegenspricht, haben sie sich näher mit Rebekka auseinander gesetzt und haben schnell erkannt: sie bringt alles mit, was es braucht. Sie ist „zeitgemäß“ entwickelt (oh wie ich das liebe, aber das ist ein ganz anderes Thema), grob- und feinmotorisch top, hat Interesse an Zahlen und Buchstaben und löst halt alle Aufgaben, die man in jeglichen Tests stellen kann (ich meine es gibt ja hunderte Entwicklungsbögen in der Kita, daran mangelt es nicht). Also ja, kognitiv ist sie so weit.

Und sozial?

Diese Frage war schon schwieriger zu beantworten. Tatsächlich sahen wir hier die einzige Schwierigkeit: sie ist halt noch echt klein, als wir die Entscheidung treffen mussten, ich meine wir hatten bis April Zeit eine Rückstellung zu beantragen, war sie gerade fünf. Würde sie untergehen, bei den größeren Kindern? Würde sie sich durchsetzen können? Würde sie sich trauen bei Problemen auf eine fremde Person zuzugehen?

Ich habe zu den Thema einige Studien gelesen und die waren eher erschreckend: Kinder die früher eingeschult werden und emotional noch nicht so weit sind haben es später schwerer und müssen auch eher eine Klasse wiederholen. Das wollten wir natürlich nicht für sie! Aber diese Fragen konnten wir unmöglich beantworten. Da sind so viele wenns und vielleichts involviert.

Möchte das Kind in die Schule?

Aber Hallo! Das war bei uns sehr eindeutig. Als sie in die Vorschule kam hat sie sich soooo sehr gefreut, etwas zu lernen, endlich! Ganz witzig: An den ersten Tagen der Vorschule wurde so eine kleine Bestandsaufnahme gemacht, die Kinder haben ein Bild von sich bekommen, durften, wer kann, schon den Namen daneben schreiben und sollten dann sagen (das hat natürlich die Erzieherin draufgeschrieben), was sie sich von der Vorschule versprechen. Alle so: singen, Spaßhaben, kneten. Rebekka so: Das ABC Lied lernen, Buchstaben kennenlernen, schreiben lernen, Rechnen. Ich musste so schmunzeln, als ich das mal entdeckt hatte, weil das einfach on point ist.

Also der Punkt war bei uns sehr eindeutig. Anders wäre es gewesen, wenn sie einen Widerwillen gegen die Schule gehabt hätte, klar wäre, wenn sie lieber nur spielen möchte, kein Interesse an Zahlen und Buchstaben hat, sondern lieber Autobahnen baut. Einschulen oder nicht ist ja eine Frage, die vor allem das Kind betrifft!

Was ist mit dem sozialen Umfeld, wo sind die besten Freunde?

Wie gesagt, dieser Punkt ist nicht ausschlaggebend, aber als Mutter in einem Kindergarten und als Sprachfachkraft im Kindergarten habe ich jeweils Kinder erlebt, die „zurückgelassen“ wurden. Gut gemeint, weil man dem Kind noch Zeit schenken möchte, oder das Kind ganz klar wirklich noch Zeit benötigt. Diese Kinder waren selten zufrieden. Manche haben sich mit der Situation arrangiert, manche nicht. Aber ich habe kein Kind erlebt, dass meinte: cool, suche ich mir halt neue Freunde! Das Jahr wurde in allen Fällen halt zwangsweise irgendwie hinter sich gebracht. Anschluss zu finden war oft schwer, weil die Gruppen und Freundschaften dann ja oft schon länger bestehen, bei den Kindern, die dann im gleichen Alter sind.

Bei uns war auch klar: Alle ihre Freunde gehen in die Schule.

Wie wäre es, wenn es weiter im Kindergarten bleiben würde?

Wenn man also unsere Punkte resümiert:

Das Kind kann in die Schule, das Kind will in die Schule, das Kind will nicht im Kindergarten bleiben. Ganz klar, einschulen! Jetzt kann man sich natürlich fragen, warum ich mich mit der Entscheidung so schwergetan habe, wenn doch alles so klar ist. Es bleibt dieser eine unklare Punkt, die soziale und emotionale Reife, die eben nicht klar war, aber natürlich einen entscheidenden Einfluss auf das Erleben ihrer Schulzeit haben wird. Wie wäre es, wenn sie also im Kindergarten bleiben würde?

Ehrlich gesagt kaum eine Option: ihr war schon das ganze Vorschuljahr langweilig, ihre ganzen Freunde sind weg und die Kindergärten haben gerade dermaßen mit Personalmangel zu kämpfen, sodass das Angebot im Kindergarten jetzt auch nicht so verlockend war, muss ich gestehen. Der Kindergarten war auch einfach kein Ort mehr, an dem ich sie gerne noch länger lassen wollte (auch wenn ich unseren Kindergarten sehr mochte, aber Personalmangel merkt man einfach an allen Ecken und Enden und am Ende spüren das die Kinder auch tagtäglich). Kindergarten war einfach für mich keine vernünftige Option mehr, weshalb wirklich alle Zeiger auf Schule zeigten.

Kind macht Hausaufgaben und malt Blatt an

einschulen – wie geht es uns mit unserer Entscheidung

Jetzt kommt der vermutlich spannende Teil: wie geht es uns mit der Entscheidung unsere Tochter eingeschult haben zu lassen?

Ganz klar lässt sich sagen, dass der Übergang nicht leicht war. Ich würde sogar behaupten, dass wir immer noch mittendrin sind. Es ist nicht alles schon „normal“, manches fällt noch schwer, anderes hingegen schon leicht. Kognitiv war es die absolut richtige Entscheidung. Sie lernt schnell, erfreut sich an Zahlen und Buchstaben und hat kaum Probleme. Auch das soziale passt. Sie hat Freunde, ist in der Klassengemeinschaft angekommen, soweit ich das beurteilen kann.

Es gibt tatsächlich nur einen Punkt, mit dem es ein paar Probleme gibt und das ist der Energiehaushalt. Tatsächlich waren Rebekkas Einschulung und das Ankommen jetzt sehr ähnlich zu Hanna damals. Auch wenn beide grundverschiedenen sind, so machen ihnen viele Reize und nicht runterkommen können zu schaffen.

Und eigentlich war es klar, aber mich hat es jetzt die letzten Wochen im wahrsten Sinne umgehauen, wie müde Rebekka jeden Tag von der Schule heimkommt. Was auch nicht das Problem wäre, dann würde ich ein „Kontrastprogramm“ auffahren, wir könnten raus, abschalten. Aber die Hausaufgaben jeden Tag machen das bis jetzt unmöglich. Wir haben schon ein paar Varianten versucht, gleich nach der Schule, mit kurzer Pause, mit langer Pause. Für Hausaufgaben ist kaum Energie und Fokus übrig. Ich hoffe, dass sich das in den nächsten Wochen irgendwie einspielt und eine gewisse Routine einkehrt, sodass sich die Reizüberflutung in der Schule und mittags in Grenzen hält.

Also kann ich klar sagen: wir für uns mit dem Einschulen haben auf jeden Fall die richtige Entscheidung getroffen. Würde ich nochmal davor stehen, würde ich vermutlich wieder so vorgehen, Punkt für Punkt überlegen, was passt. Und dann würde ich mich auch besser vorbereiten. Mich traf das nämlich quasi von der Seite, ich dachte das wird einfacher (vor allem weil das ja mein zweites Grundschulkind ist) Denkste!

Ich hoffe der Einblick hat dem/ der ein oder anderen geholfen. Fragen wieder gerne an mich, entweder hier oder als E-Mail. Auf Instagram nehme ich euch gerne mit durch unseren Alltag, da gibt es auch nochmal Einblicke (zur Zeit vor allem von Hausaufgaben).

 

Liebe Grüße,

deine Jenny

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