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Benjamins Ausstieg: Wandern als Neuanfang – ein Interview

Heute ein Beitrag, der mir wichtig ist. Natürlich ist mir alles irgendwie wichtig, was ich hier mit euch teile, denn alles hat seine Berechtigung. Dieser Beitrag heute handelt aber nicht von mir, sondern von Benjamin und vom Wandern. Er war bereit mir ein paar Fragen zu beantworten. Aktuell ist er in Spanien und wandert nun schon seit sechs Wochen, weil er wegmusste. Fernwandern, oder Langzeitwandern sehe ich in den letzten Wochen und Monaten häufig. Ich wollte unbedingt mehr darüber wissen, vor allem auch über die Beweggründe.

Wandern – Fernwandern, Weitwandern, Langzeitwandern

Wandern, das Allheilmittel. Zum mindestens scheint es so, denn schon seit Jahrhunderten wandern die Menschen. Habe extra nachgesehen, der Camino Primitivo gilt als ursprünglicher Jakobsweg und wurde bereits im 9. Jahrhundert genutzt! Und ich weiß nicht, ob es nur meine Social Media Blase ist, die gerade auch extrem viele Wanderer anzeigt, oder ob das so ein generelles Phänomen ist, aber es interessiert mich ungemein. Warum? Wie läufts (haha-gut zugegeben ein eher schlechter Wortwitz)? Und bringt es was?

Die meisten dieser Fragen kann man beantworten, in dem man den einzelnen Personen einfach folgt und Beiträge und Stories anschaut. Nicht jeder erzählt alles und jeder ist wohl aus verschiedenen Gründen unterwegs. Ich habe mir aber gedacht, ich möchte mehr darüber wissen und vielleicht interessiert es ja auch euch, also habe ich Benjamin gefragt, ob er nicht Lust hat ein wenig von sich zu erzählen, von seiner Reise und seinen Beweggründen.

Den Anfang mache aber doch ich, bevor ich Benjamin zu Wort kommen lasse. Denn ich möchte unbedingt vorwegnehmen, was mich daran interessiert, am Thema Wandern und auch Aussteigen.

Ich folge Benjamin aus Instagram nicht erst seit seiner Reise. Auf ihn aufmerksam geworden bin ich durch das Thema Hochsensibilität, ein Thema, mit dem ich mich ja selber sehr beschäftige und immer wieder gerne Content und Gleichgesinnte suche. Benjamin ging und geht sehr offen damit um, dass das Zusammenleben, so wie es hier in Deutschland gerade (und schon seit einiger Zeit) praktiziert wird, für ihn nicht funktioniert. Davon kann er auf jeden Fall nochmal näher berichten. Für mich relevant war, dass es ja mehrere Personen gibt, die so fühlen. Eine kleine Gruppe, die einfach nicht reinzupassen scheint, in diese Schablone, in die man so schön gedrückt wird. Egal wie sehr man sich anstrengt, man fühlt sich einfach nicht dazugehörig. Schlimmer noch, man versteht auch nicht, warum man dazugehören sollte, immerhin läuft einiges schief.

Mit diesem Gefühl kann man auf verschiedene Arten umgehen. Sich verkriechen, oder den Kampf ansagen, ins System eintauchen, um es von innen zu verändern, oder aussteigen. Das sind natürlich nicht alle Wege, aber mir fällt auf, dass immer mehr den Ausstieg wählen. Raus aus Deutschland, raus aus diesem System hier. Und gerade in letzter Zeit (vielleicht kommt es mir auch nur so vor) habe ich das Gefühl, dass gerade das Fernwandern als Mittel dafür genutzt wird. Sachen packen und los geht es.

Ich finde das wahnsinnig interessant, weil ich mich auch immer wieder dabei erwische, dass ich mir denke: vielleicht einfach mal eins, zwei Wochen irgendwo nur laufen. Natur und laufen. Wirklich so, als ob es das Allheilmittel ist. Und da frage ich mich natürlich: ist es das? Was bringt das Laufen? Und ändert sich auf der Reise wirklich was? Oder ist es ein Weg, um wirklich einfach dem System hier zu entkommen? Ist es denn woanders anders?

Aber das frage ich am besten Benjamin, denn er kann in seinen Worten am besten sagen, was ihn bewegt.

Hier erstmal ein paar Eckdaten:

Benjamin, 37 Jahre aus Oldenburg, gelernter Erzieher mit Angststörung und Hochsensibilität.

Berichtet als der.wanderphilosph seit 2023 auf Instagram ursprünglich von Angststörungen, Hochsensibilität und vielem aus seinem Leben, mittlerweile aber von seiner Wanderung, zu der er mir Mai 2024 aufgebrochen ist. Gerade ist er in Spanien. Wie er dort hingekommen ist und wie es weitergeht aber nun von ihm, also here we go (okay, schon wieder, sorry).:

Wer dir auf Social Media folgt weiß: du wanderst. Es kam aber nicht einfach so dazu, oder?

Die endgültige Entscheidung dafür ist für mich gefallen, nachdem ich wieder in der Klinik war und mich man da auf vielen Ebenen retraumatisiert hat, statt mich zu stabilisieren. Und gleichzeitig dadurch, dass ich auch arbeitslos war, auf einer Ebene falsch behandelt wurde durch die Ärztin beim medizinischen Dienst bei der Arbeitsagentur. Nicht nur falsch behandelt, sondern auf ganz krasse Weise falsch diagnostiziert, faktisch gelogen. Da habe ich die letzten Funken Vertrauen in das System quasi verloren und habe mir gesagt ich muss raus hier. Ich weiß auch jetzt noch nicht genau wohin mit mir, aber ich habs einfach nicht mehr ausgehalten. Mich ständig Menschen unterwerfen zu müssen, die mir quasi nicht guttun und die mir auch nichts Gutes wollen scheinbar.

Das klingt nach einem Problem im System, oder?

Ich habe faktisch das Leben noch nie verstanden so richtig. Wie wir es leben und warum wir es so tun. Weil es macht einfach komplett gar keinen Sinn. Es ist unlogisch. Das System ist bekanntermaßen so aufgebraut, dass Menschen, die vieles haben immer mehr kriegen und der Großteil, der nichts hat immer weniger hat. Und ich habe einfach noch nie verstanden, warum wir nicht einfach mal auf den Menschen schauen und uns Systeme schaffen, die gesund für uns sind, die uns guttun, die uns helfen. Weg von diesem Besitztum. Ja, war mir schon immer ein großes Anliegen und gleichzeitig eine große Schwierigkeit für mich ein Platz darin zu finden. Wenn du da nicht reinpasst und wenn es dich krankmacht.

Mich hats halt auch schon immer gestört, dass Menschen, die eben nicht so funktionieren wie alle anderen, als die Problemfälle behandelt werden. Gefühlt war ich mein Leben lang das Problem für alle Seiten. Dabei bin ich ein total lebensfroher, optimistischer Mensch, wenn ich denn so leben könnte und dürfte wie ich wollte. Und das funktioniert halt nicht. Es ist alles auf Geld ausgelegt, es ist alles auf Leistung ausgelegt und Besitztum und das sind alles Dinge, die mir nichts bedeuten, die ich langweilig finde und die mir Lebenszeit klauen. Aus diesem Grund wünsche mir einen Ort, wo dieses System nicht existiert und hoffe ihn auf diesem Weg zu finden, durch die Wanderung.

In deinen Hashtags finden sich solche wie #aussteigen. Also ist die Wanderung das für dich? Ein Aussteigen?

Ich denke ein Ausstieg ist es auf jeden Fall. Mehr kann man ja gar nicht machen, um auszusteigen. Ich bin halt nirgends mehr gemeldet, ich bin obdachlos und toure durch die Welt und gehöre irgendwie auch nicht mehr dazu. Gelichzeitig fehlen natürlich viele Dinge, die vor dem Ausstieg noch vorhanden waren und von denen ich mir wünschen würde, dass sie da wären. Das würde mir vieles einfacher machen. Aber gleichzeitig macht mich vieles davon auch krank und das ist immer eine sehr schwierige Auseinandersetzung mit mir selbst. Bis wohin kann ich eigentlich gehen? Wo ist eigentlich der Ort, an dem es so funktioniert, wie ich es mir vorstelle?

Der Abbruch hier in Deutschland kam ja quasi von heute auf morgen, komplett drastisch. Wolltest du das so?

Ich wollte diesen Abbruch definitiv nicht. Sicherheit ist ja auch etwas Gutes und sich aus der Komfortzone rauszubewegen. Ein Leben zu leben, das maximale Unsicherheit bietet ist nichts, was unbedingt Spaß macht und was man sich freiwillig aussucht. Sondern es ist einfach Verzweiflung gewesen und Hilflosigkeit. Einfach nicht mehr zu wissen was man tun soll. Und auch die Ansprechpartner, die man hat, dass die einen nicht ernst nehmen. Auch nicht bereit sind zu helfen, sondern im Gegenteil dich verurteilen, dich bewerten und entwerten. Und quasi dafür sorgen, dass du es nicht mehr aushältst und sagst ich bin obdachlos und lebe lieber auf der Straße, als hier weiter so zu machen, wie es ist.

Warum Wandern?

„Warum wandern“ ist eigentlich eine spannende Frage. Also erstmal ist es für mich der beste Weg, um die Welt zu erkunden, weil du zu Fuß an alle Orte kommst. Abgesehen vielleicht von Autobahnen. Aber wenn du jetzt einen Van hast und rumfährst, oder ein Fahrrad, du wirst niemals an alle Orte kommen und zu Fuß funktioniert das halt. Und da ich unbedingt auch ans Meer wollte und ans Wasser: du hast zu Fuß alle Möglichkeiten alles zu entdecken. Und daher wars für mich zu Fuß. Fahrradfahren war für mich keine Option, Autofahren habe ich Probleme durch meine Angststörung. Deswegen blieb gar nicht mehr viel anderes übrig.

Wie kam es zu deinem Startpunkt Grande Dune du Pilat?

Bei den Dünen du Pilat bin ich gestartet, weil ich vor zwei Jahren ja schon mal unterwegs war und in Bordeaux abgebrochen hab zu laufen. Die Düne du Pilat ist sehr nah dran an Bordeaux und ich habe mir gedacht ich möchte den Weg dort weiterführen, wo ich damals aufgehört habe. Und habs halt einfach gemacht. Ich glaube es ist ein sehr guter Ort, um zu starten, an der größten Wanderdüne Europas, sehr beeindruckend. Am Ende ging es aber nur darum den Weg ungefähr dort fortzuführen, wo ich ihn damals beendet habe.

Du warst also schonmal Wandern. Was unterscheidet sich?

Viele Unterschiede gibt es gar nicht, bis auf, dass ich damals noch einen Job hatte und es eine krasse Entscheidung war, meinen Job zu schmeißen und meine Wohnung zu kündigen. Damals habe ich es auch an die große Glocke gehangen, mit Zeitungsartikeln und allem drum und dran. Das ist halt der Unterschied zu jetzt: damals war es eine Art bewusste Entscheidung und jetzt habe ich auch das Gefühl gehabt dazu gedrängt zu werden. Einfach, weil ich nicht mehr konnte, wo ich war. Und man mich auch nicht mehr wollte. Habs diesmal aber auch, bis auf Familie und Freunde, niemandem groß gesagt. Halt hier auf Instagram, aber habs nicht an die große Glocke gehangen in der Hoffnung, dass ich einen Weg finde das für mich zu machen, und nicht für andere.

Wie verläuft deine Reise bisher und welche unerwarteten Herausforderungen hast du unterwegs erlebt?

Ich glaube der Anfang meiner Reise war sehr gut tatsächlich. Natürlich mit vielen Herausforderungen, es geht immer darum einen Schlafplatz zu finden, einen Ort zu finden, wo man was zu Essen kaufen kann. Oft gibt es nicht beides gleichzeitig, sondern immer nur eins von beiden. Und dann eben für sich zu schauen, wie man den Weg am besten geht. Mittlerweile, oder jetzt grade aktuell bin ich aber schon in nem ziemlichen Loch, weil ich zur Ruhe gekommen bin und hinterfrage: was mache ich hier eigentlich? Was soll mir das bringen? Und noch nicht ganz die Sinnhaftigkeit spüre, sondern vielmehr Ängste, wie es weitergeht. Existenzängste. Geldängste. Und generell Lebensängste einfach. Viel Weltschmerz auch. Das sind eigentlich die Hauptpunkte, die mich begleiten. Und jetzt in diesem Moment gibt es wenig Schönes.

Hast du dir denn vorher darüber auch Gedanken gemacht, über die Sinnhaftigkeit der Reise? Was erhoffst du dir von der Wanderung?

Wenn ich einhundert Prozentig ehrlich bin, dann glaube ich, ist das größte Ziel meiner Reise gesehen zu werden. Denn das ist ein großer Punkt, der mir in meinem Leben fehlt und der mir auch insbesondere, was ich ja grad schon gesagt habe, zuletzt bei dem Klinikaufenthalt und bei der vermeintlichen Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Dienst der Arbeitsagentur, komplett gefehlt hat: ich wurde einfach nicht gesehen.

Auch in meinem Leidensdruck, in der Hilfsbedürftigkeit, die ich habe. Ich wurde einfach nicht wahrgenommen und am Ende war das, diese Entscheidung, für mich auch ein Punkt: schau mich an, ich weiß selber nicht was ich tue, ob das gut für mich ist und werden wird, aber ich kann einfach nicht mehr. Es tut mir leid, ich weiß nicht mehr wohin mit mir. Und von daher würde ich unter diesen Voraussetzungen sagen, ich will einmal in meinem Leben gesehen werden, in dem, wer ich bin und wie ich bin.

Fernab davon möchte ich natürlich auch was von der Welt sehen und schöne Orte besuchen. Andere Kulturen und andere Menschen kennenlernen. Und wirklich auch leben. Das bedeutet für mich Leben. Leben ist nicht Monotonie und alle machens gleich, das Leben besteht aus funktionieren-müssen und Leistung und Bewertung. Sondern, einfach aktiv selbst zu entscheiden oder selbst entscheiden zu dürfen bis zu einem gewissen Grad, wie man lebt und wie man seine Lebenszeit verbringt. Niemand hat sich die Geburt ausgesucht und so gut wie niemand sucht sich seinen Lebensweg aus. Und ich finde das ist das Mindestes, was es geben sollte, dass Menschen sich eigenständig aussuchen dürfen, wie sie ihr Leben gestalten.

Welche Rolle spielen persönliche Herausforderungen und Selbstreflexion für dich während dieser Wanderung?

Ja also ich weiß gar nicht, wie sich ein Leben ohne Selbstreflexion anfühlt. Ich reflektiere alles, von morgens bis abends. Alles was ich erlebe, was ich sehe, was ich selber tue. Wie ich mit Menschen bin, wie Menschen zu mir sind. Das ist einfach auch der Hochsensibilität geschuldet, dass sich extrem viel nachdenke und gar nicht da raus komme. Daher spielt Reflexion immer eine Rolle.

Und persönliche Herausforderung. Naja, die größte Herausforderung ist ehrlich gesagt einen Weg zu finden irgendwie auf dieser Welt zurechtzukommen ohne langfristig krank zu sein und zu werden. Einfach akzeptiert zu werden, eben wie man sich sein Leben vorstellt. Das ist glaube ich für mich die schwierigste Herausforderung, die es gibt. Denn ich weiß, es gibt viele Menschen, die mich und meinen Werdegang nicht nachvollziehen können. Das machts für mich auch irgendwie immer schwierig.

Welche Emotionen hast du bisher auf deiner Wanderung durchlebt und wie gehst du damit um?

Ich erlebe eigentlich jeden Tag meines Lebens alle Emotionen, die man sich vorstellen kann. Das ist schon extrem ausgeprägt bei mir. Das Einzige, was mir tatsächlich fehlt ist ernsthafte Freude, weil ich nicht mehr genau weiß, wie sich das anfühlt. Aber sonst ist einfach alles dabei: Trauer, Wut, Schmerz, aber auch Faszination. Die anderen positiven Aspekte, wie Freude, Glück, das probiere ich mir irgendwie zu erarbeiten auf diesem Weg. Ist ein sehr hochgesetztes Ziel, weil ich überhaupt nicht weiß, wie das funktioniert und wie sich das anfühlt und ich emotional maximal überfordert bin. Da ich nie gelernt habe mit meinen Emotionen umzugehen, grade mit den negativen, die in den letzten Jahren auf mich eingeprasselt sind.

Das klingt wirklich nach Herausforderungen. Aber du erlebst doch sicher auch Gutes? Welche besonderen Momente oder Erlebnisse haben dich bisher am meisten beeindruckt oder bewegt?

Ich glaube war am schönsten war bisher die Begegnung mit einem Holländer, mit dem ich zusammen die Nacht wild gecampt habe. Mitten im nirgendwo in den Bergen. Der kein Zelt dabei hatte, wo wir dann quasi irgendwie zusammen die Nacht überstanden haben. Wir hatten beide Ängste, waren beide ängstliche Menschen und wussten nicht, was auf uns zukommt und wir kannten uns ja einfach selber nicht, wir haben uns ja an dem Tag kennengelernt. Und dann einfach die Erfahrung zu machen, dass es läuft und dass es gut ist und dass es anscheinend so sein sollte, dass man sich an dem Tag getroffen hat, weil sonst hätte ich es alleine durchstehen müssen. Das hat glaube ich viel mit mir gemacht.

Seitdem frage ich mich auch immer wieder, wie diese Begegnungen eigentlich zustande kommen. Das würde mich so interessieren. Es ist oft so zufällig, dass es gar keinen Sinn macht. Wenn man dann aber zurückschaut merkt man so, das ist einfach verrückt! Wie kam es dazu? Warum war ich genau in diesem Moment da, wo dieser Mensch war? Und nicht bei jemand anderem? Oder bei gar keinem? Wieso sind wir aufeinandergetroffen, irgendwo in den Bergen in Spanien? Darauf wird es wahrscheinlich niemals eine Antwort geben, aber das finde ich immer ganz spannend zu hinterfragen.

Ansonsten jedes Mal, wenn ich am Meer sein kann, sind das auf jeden Fall sehr schöne Momente, die ich probiere auszukosten und ein wenig Kraft und Energie zu tanken.

Gibt es Pläne für die Zukunft? Wie soll es weitergehen?

Stand jetzt habe ich keine Zukunftsperspektive. Ich weiß es nicht. Alles was ich mir wünsche von meinem Leben, was ich mir vorstelle, funktioniert nur mit viel Geld. Das habe ich nicht. Und ich möchte das eigentlich auch gar nicht haben. Alleine der Gedanke, dass es nur so funktionieren kann ist einfach widerlich, finde ich. Das dürfte so nicht sein, jeder sollte so Leben können, wie er sich das vorstellt, unabhängig finanzieller Mittel. Da ich in meinem Beruf auch nicht weiterarbeiten werden kann, habe ich komplett keine Ahnung, ich weiß es nicht. Weiß absolut nicht, was ich tun soll. Deswegen bin ich ja auch los, weil wenn ich in meiner Bude sitz, weiß ichs irgendwann auch nicht mehr. Von daher macht es vielleicht Sinn die Welt zu entdecken und irgendwo zufällig einen Platz zu finden, wo man gebraucht wird und Gutes tun kann.

Gutes Tun: Auf Instagram hast du gerade verkündet, dass man dich nun mit einer Spende unterstützen kann. Warum hast du dich entschieden, eine GoFundMe-Kampagne für deine Reise zu starten und welche Rolle spielt finanzielle Unterstützung für dich? DIE SPENDENAKTION IST ZU ENDE!

Finanzielle Unterstützung spielt dahingehend eine Rolle, dass mein Aufbruch und mein Ausbruch gleichzeitig, ist ja irgendwie beides, komplett ungeplant war. Ich hab in ner Nacht und Nebel Aktion einfach meine Wohnung gekündigt und habe entschieden, das ist jetzt scheinbar das einzige, was ich tun kann. Ich hab aber nichts großartig Erspartes oder Geld. Es ist nicht so, als ob da ne großartige Planung hinter gesteckt hat. Sondern es war einfach: Alter, ich halt es hier nicht mehr aus. Ich möchte nicht mehr unter euch sein, ich muss hier raus. Ich muss hier weg. Mir egal, dann leb ich halt auf der Straße und ernähr mich von Wasser und Brot. Aber es funktioniert so einfach nicht.

Von daher gibt es auf jeden Fall Menschen, von denen ich weiß, dass die sowas unterstützen. Weil sie es auch selber gerne manchmal machen würden, sich aber nicht unbedingt trauen und sich dann eben sagen, ich habs nie gemacht, aber cool, dass dieser Mensch, also ich, das ich das mache. Ich unterstütz das mal. Das ist natürlich auf Dauer ein absolutes Geschenk, jeder Mensch der sagt, da hab ich Bock drauf, den zu unterstützen. Da kann ich nur unendlich dankbar sein.

Wie planst du, die gesammelten Spenden für deine Reise zu nutzen und wie wird die Unterstützung deine Reise beeinflussen?

50% der Spenden gehen an mich, um einfach das Lebensnotwendigste zu finanzieren: Lebensmittel und ggf. einen Campingplatz. Und die anderen 50% stecken wir in soziale Projekte, auf die ich unterwegs stoße, in den größeren Städten. Im Mittelpunkt stehen sollte auf jeden Fall eine Organisation, die was mit Kindern macht, einfach weil, dadurch, dass ich Erzieher bin, mir das Wohl der Kinder sehr wichtig ist. Ich werde dann zu den Touristeninformationen in den jeweiligen Städten gehen und fragen, was diese vor Ort haben und wo Hilfe benötigt wird. Und die, die es aus unserer Sicht am Nötigsten haben, die kriegen dann halt 50% von dem, was bis dahin eingegangen ist.

Das klingt echt schön! Welche Bedeutung hat es für dich, einen Teil der Spenden an soziale Einrichtungen weiterzugeben, insbesondere solche, die Kinder unterstützen?

Ehrlich gesagt bedeutet mir das alles. Das ist auch ein Punkt, warum ich da bin wo ich bin. Weil ich auf späten, zweiten Bildungsweg Erzieher gelernt habe und das wirklich mein Wunsch- und Herzensberuf ist. Ich liebe die Arbeit mit Kindern und gleichzeitig das System so hart im Arsch ist, dass ich sagen muss für mich: ey, ich kann hier nicht mehr arbeiten. Und das schon nach relativ schneller Zeit. Ich vermisse das und ich würde es mir so sehr wünschen, dass es anders wäre. Aus diesem Grund freu ich mich darüber, wenn andere Menschen sagen, vielleicht finden wir auf diesem Weg einen Weg um Kids zu unterstützen. Ich sage immer, gesunde Kinder werden gesunde Erwachsene und wir brauchen gesunde Erwachsene in Zeiten wie diesen unbedingt. Daher ist es das Wichtigste, dass wir uns um sie kümmern und spenden.

Und zuletzt noch: Welche Botschaft oder welche Werte möchtest du den Menschen vermitteln, die deine Geschichte lesen oder deine Reise verfolgen?

Ich glaube ich möchte einfach, dass mehr Menschen anfangen kritisch zu hinterfragen, was wir hier eigentlich tun. Ob das sinnvoll ist, ob wir uns selbst einen Gefallen damit tun, so zu leben, wie wir es machen. Und warum wir es uns nicht selbst wert sind es anders zu tun. Und zwar so, dass wir gesund aus dem Leben herausgehen. Beziehungsweise auch gesund durch das Leben gehen. Nicht erst darauf warten, dass Millionen krank sind, sondern das Logischste der Welt eigentlich zu tun und sich ein System zu schaffen, dass human ist, das sozial ist, was ein miteinander fördert. Das sollte das Selbstverständlichste sein, aber das tun wir einfach nicht. Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen das bewusst wird.

Es ist wirklich nicht sinnvoll ein endliches Leben, das sich niemand von uns ausgesucht hat, darauf zu fokussieren, ein Stück Papier zu verdienen, darauf zu fokussieren andere zufrieden zu stellen, darauf zu fokussieren Leistung zu bringen. Zwingend. Also Leistung bringen zu müssen. Finde ich halt schwierig und da würde ich mir einfach ein Umdenken wünschen. Weil ich das auch noch nie verstanden habe, warum wir uns selbst nicht mehr wert sind. Und warum wir nicht dafür sorgen, dass es uns allen gut geht. Die Möglichkeiten wären ja mehr als vorhanden. Wir müssen nur damit anfangen, aber wir machen immer nur das Gegenteil von dem. Immer. Und solche Sachen sind für mich schwierig auszuhalten.

Oft ist es wie stille Post spielen. Jemand flüstert dir das Wort “Veränderung ” ins Ohr und alle glauben, sie haben verstanden, was es bedeutet, nur dass bei der letzten Person dann doch die Worte “Wir machen alles so wie immer” ankommen. Gute Anfänge gibt es viele, doch mir fehlen die Menschen, die auch durchziehen.

Vielen Dank Benjamin!

Mich hat es sehr gefreut, dass Benjamin so ausführlich auf meine Fragen geantwortet hat. Mir wären noch so viele mehr eingefallen. Wenn du noch eine Frage hast, dann schreib sie gerne unten in die Kommentare. Denn zum einen kann ich diese Fragen auch weiterleiten und eine Antwort drunter setzen und zum anderen interessiert es bestimmt auch alle anderen, was bei euch da jetzt für Fragen aufkommen.

Ich hatte ja zum Anfang schon geschrieben, dass ich das Wandern, die Beweggründe sehr spannend finde und auch nachvollziehen kann, dass es jemanden „weg zieht“. Jetzt nochmal so einen persönlichen Einblick zu bekommen, hat natürlich auch gezeigt, wie sehr es jemanden weg ziehen kann aus Deutschland, aus diesem System und das da definitiv nicht immer nur „Reiselust“ dahintersteckt.

 

Liebe Grüße,

deine Jenny

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