Roses Revolution Day – Meine Erfahrungen mit Gewalt unter der Geburt
Heute wird zum achten Mal an die Frauen gedacht, denen unter der Geburt Gewalt zuleide wurde. Der Roses Revolution Day soll sichtbar machen, was leider immer noch (und gar nicht so selten wie man annimmt) im Kreißsaal geschieht: Gewalterfahrungen unter der Geburt. Diese Gewalt kann unterschiedlich aussehen und vor allem auch ganz unterschiedlich wahrgenommen und verarbeitet werden. Deshalb sollen heute alle Frauen zu Wort kommen, die Gewalt in der Geburtshilfe erfahren haben.
Und auch ich habe dazu leider etwas zu sagen.
Ich habe hier auf Berggeschwister meine beiden Geburten beschrieben, habe ziemlich ausführliche Geburtsberichte veröffentlicht.
Während Hannas normale Geburt in Beckenendlage für mich eher ein Glücksfall, für den ich sehr dankbar bin, war, sieht das bei Rebekka ganz anders aus.
Rebekka wurde bei uns zu Hause geboren, in unserem Schlafzimmer. Von Gewalt im Kreißsaal kann ich also nicht sprechen.
Und ich habe Rebekka allein bekommen. Meine Schwiegermutter stand neben mir, aber sie war so aufgeregt, dass sie absolut nichts machen konnte. Unser Papa hat probiert irgendwie den Krankenwagen einzuweisen, die mein „ich bekomme gerade ein Baby“- Anruf ganz und gar nicht ernst genommen haben.
Ich war unter der Geburt allein, also kann ich auch schwer von Gewalt unter der Geburt sprechen.
Und doch ist dieses Erlebnis nach wie vor (und immerhin sind schon vier Jahre vergangen!) schwierig für mich. Ich werde traurig und wütend, wenn ich an die Geburt denke. Und ich fühle mich betrogen. Ich fühle mich, als ob mir ein wirklich wichtiges Ereignis genommen wurde. Ich fühlte mich alleingelassen und das macht immer noch, dass ich mich missverstanden und schlecht, ungerecht behandelt fühle.
Und das alles sollte nicht sein!
Roses Revolution Day
Der 25. November ist seit 1999 der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Seit acht Jahren machen wir an diesem Tag aber auch auf Gewalterfahrungen während der Geburt aufmerksam.
Wozu soll das gut sein?
- Nur, wenn wir zeigen und aussprechen, welche körperliche und seelische Gewalt Frauen sowie ihre (ungeborenen) Babys in der Schwangerschaft, unter der Geburt oder im Wochenbett angetan wird, wird das Bewusstsein in der Gesellschaft wachsen und sich endlich etwas verändern.
- Frauen können betrauern, was sie erlebt haben und vielleicht Frieden schließen, es ist ein Stück Heilung in ihrer Trauma- und/oder Trauerarbeit.
- Werdende Mütter können sich besser vor Gewalt schützen, wenn sie wissen, dass es sie gibt. Hebammen, Ärzte/Ärztinnen können Gewalt konsequenter vermeiden, wenn sie darüber offen sprechen und ihr aktiv entgegenwirken.
- Sekundär traumatisierte Geburtshelfer/innen (Zeugen) können Heilung erfahren.
- Die Roses Revolution möchte Anlass geben, über “Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe” zu sprechen und Lösungen zu entwickeln, diese zu verhindern.
- Möglichkeit, in den direkten Dialog zu treten (z.B. in Form von Nachgsprächen)oder Möglichkeit, anonyme Kritik zu äußern.
Quelle: https://www.gerechte-geburt.de/rosrev/
Zum Roses Revolution Day legen Frauen rosafarbene Rosen an dem Ort ab, an dem ihnen körperliche oder seelische Gewalt widerfahren ist und erklären in einem Brief, was passiert ist.
Es ist ein gemeinsames Zeichen gegen Gewalt während der Geburt. Und in welcher Form auch immer diese Gewalt auftritt, sie ist immer falsch!
Gewalt hat viele Gesichter
Gewalt hinterlässt Narben. Dabei ist es höchst individuell, wie Gewalt erlebt wird und vor allem was als Gewalt verstanden wird. Wo der eine durch ein Gespräch über eine Erfahrung hinwegkommt kann beim anderen noch nach Jahren Schmerz und Trauer ausgelöst werden. Wo der eine müde drüber lächeln kann, entstehen beim Anderen tiefe, seelische Verletzungen.
Auch ich kann mich nicht über körperliche Gewalt beklagen. Denn es war ja niemand da, der mir hätte etwas antun können.
Auch die verbale Gewalt hielt sich in Grenzen, zum mindestens gab es keine groben Beleidigungen.
Mir wurde aber von einer Hebamme mein Recht auf eine selbstbestimmte Geburt genommen. Eine andere Hebamme hat die ersten Augenblicke mit meiner zweiten Tochter mit ihrer Freude über extra Geld überschattet. Und mir wurde eine gerechte und führsorgliche Nachsorge genommen, weil sich eben beide Hebammen lieber darüber austuschten, dass sie nichts falsch gemacht hätten. Das ich eine Versorgung gebraucht hätte, war ihnen tatsächlich egal.
Die ganze Geschichte ist im Geburtsbericht beschrieben. Ich wollte gerne eine kürzere Version veröffentlichen, da diese tatsächlich sehr ausführlich ist. Aber ich schaffe es gerade einfach nicht. In mir sträubt sich alles wieder über diese Nacht nachzudenken, auch jetzt habe ich Probleme, bzw. es macht mich einfach traurig.
Was da ganz und gar nicht hilft, ist darauf hinzuweisen, dass doch alles gut ist. Das Baby ist doch gesund! Warum dann also (im wahrsten Sinne des Wortes) rumheulen?
Ich würde selbst gern verstehen, warum es mich so tief trifft, dass ich nicht ernst genommen wurde. Warum ich unter Geburtswehen aus der Klinik geschickt wurde. Aber ich verstehe es nicht und es macht mich immer noch traurig und wütend, so gerne ich es auch anders sehen würde.
So möchte also auch ich heute darauf aufmerksam machen: es gibt Gewalt unter der Geburt und das ist absolut nicht okay!
Ich kann also nur jeder Frau, die Gewalt unter der Geburt erfahren hat, dazu ermutigen darüber zu sprechen. Darauf aufmerksam zu machen. Die Schuldigen wissen zu lassen, dass das nicht okay war. Um all den Geburten die folgen die Chance zu geben weniger grausam zu sein!
Wenn ihr mehr über Schwangerschaft, Geburt, oder den Roses revolution Day lesen wollt, schaut doch hier vorbei:
Nadine von Villa Kunterbunter hat über ihre Rituale während der Schwangerschaft geschrieben
Und Jenni von Sonnenkinderleben hat den Geburtsbericht vom Julimädchen veröffentlicht
in Gedanken bei all euch Müttern,
Jenny
3 Kommentare
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Anton Schneider
Es ist schwer zu verstehen, dass Gewalt bei Geburtshilfen noch stattfindet. Ich finde gut, dass dieses Thema präsenter wird und häufiger ausgesprochen wird. Dadurch kann sich schon einiges zum Positiven wenden.
Jenny
Hallo,
ja tatsächlich ist es eigentlich unvorstellbar. Aber es gibt so viele Geschichten dazu. Viele, die erzählt werden und noch so viel mehr, die nicht erzählt werden. Da möchte man meinen das ist ein wirklich wichtiges Thema. Leider wird es noch seine Zeit brauchen, bis Fachkräfte dahingehend geschult werden und Mütter sich nciht mehr schämen, weil sie eventuell etwas falsch gemacht haben.